Eine seltene Beobachtung aus Zug

19.11.2023, Sandra Gloor
Die Bilder, welche einem Melder auf wildenachbarn.ch in Zug gelangen, haben Seltenheitswert. Gleich drei Waldrappen konnte er auf einer Wiese und auf einem Hausdach beobachten und fotografieren. Eigentlich müssten sich die Tiere bereits in ihrem Winterquartier in der Toskana befinden.

Der Waldrapp Geronticus eremita, auch unter dem Namen Schopfibis bekannt, ist ein Zugvogel und seit dem 17. Jahrhundert in Europa ausgestorben. Ihm wurde zum Verhängnis, dass er wegen seines Fleischs, welches als Delikatesse galt, intensiv bejagt wurde. Seit den 1960er-Jahren werden Waldrappe in europäischen Zoos gezüchtet. Sie stammen alle von ehemaligen Brutkolonien im marokkanischen Atlasgebirge.

Erste Brut von Waldrappen in Rümlang bei Zürich seit 400 Jahren

Im Jahr 2023 brütete zum ersten Mal seit 400 Jahren ein Waldrapp-Pärchen wieder in der Schweiz: in einem Nest an einem Gebäude in Rümlang. Die beiden brütenden Vögel stammen aus dem Artenschutzprojekt des Waldrappteams, welches mit acht Partnern aus Österreich, Italien und Deutschland den Waldrapp in Europa wieder als Zugvogel ansiedeln möchte.

Das Nest der beiden Waldrappen im Sommer 2023, an einem Gebäude in Rümlang bei Zürich. Hier zogen sie erfolgreich zwei Junge auf.
Ein Zugvogel, welcher das Zugverhalten neu lernen muss

Die Mitarbeiter ziehen Küken auf, die aus Zoos stammen und helfen ihnen im Herbst, mit kleinen Leichtflugzeugen in den Süden zu gelangen: Was jeder «normale» Zugvogel von seinen Eltern lernt, muss den handaufgezogenen Waldrappen vom Menschen beigebracht werden.

Die Waldrapp-Familie aus Rümlang wurde in Zug beobachtet

Wie Beobachtungen mit Bildern aus der Stadt Zug zeigen, befindet sich eine kleine Gruppe Waldrappen in der Stadt Zug, wo sie ein Melder am Nachmittag vom 15. Nov. auf einer Wiese und auf einem Hausdach beobachtet und fotografiert hat. Bereits am 8. Nov. wurde ein Waldrapp auf einer Wiese bei Baar in der Nähe von Zug beobachtet und auf Wilde Nachbarn gemeldet.

Eine Nachfrage beim Waldrappteam bestätigte, dass es sich um die Tiere handelte, die den Sommer in Rümlang verbracht haben. Eigentlich müssten sie sich bereits in ihrem Überwinterungsgebiet in der Toskana befinden. Hoffen wir, dass sie den Weg dorthin noch vor dem endgültigen Wintereinbruch finden. 

Waldrapp in Zug, beobachtet am Nachmittag des 15. Novembers
Die Nahrung des Waldrapps besteht aus Insekten, Würmern und anderen Kleintieren, die sie mit ihrem langen Schnabel aus dem Boden ziehen.
Waldrapp, der am 8. November in Baar gesichtet wurde.